Lernschwierigkeiten verstehen:

Dyskalkulie und Rechenschwäche

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Dyskalkulie und Rechenschwäche sind neben Legasthenie und Lese-Rechtschreibschwäche Begriffe, mit denen wir Eltern, im Zusammenhang mit Schule und Kind immer öfter konfrontiert werden.

 

Auch wenn das Phänomen Dyskalkulie noch nicht dieselbe Aufmerksamkeit in der Forschung erfahren hat, wie die Legasthenie, gehen Fachleute davon aus, dass die Problematik im Umgang mit Zahlen, Zahlenräumen und den Grundrechnungsarten in denselben Ursachen zu suchen ist.

 

Gleichgewicht und Denken sind eng miteinander verknüpft. Neurologische Untersuchungen zeigen, dass unzureichende Vernetzungen im Gehirn oft in Lernschwierigkeiten und Verhaltensblockaden resultieren. Da die geistige Entwicklung auf der körperlichen Ebene vorbereitet wird, liegt die Lösung von Lernschwierigkeiten und Verhaltensproblemen sehr oft in der Bewegung.

 

Gleichgewicht und gut geschulte Sinneswahrnehmungen sind das Fundament für stressfreies Lernen. Viele dieser auditiven, visuellen, taktil-kinästethischen Erfahrungen, die spielerisch im Kindergarten und in der Vorschulzeit aufgebaut werden, fehlen den Kindern heute.

 

Dyskalkulie oder Rechenschwäche

 

„Die meisten Kinder mit Rechenproblemen haben taktile oder sensomotorische Defizite.“ (vgl. Dyskalkulie/M1/EÖDL S. 80).

 

Taktile Wahrnehmungen sind die Basis für die spätere Mengenlehre. Ordnen und Sortieren gibt Kindern Einblick in Mengen. Dabei werden die Feinmotorik, die Figur-Hintergrund-Differenzierung und die Wahrnehmungskonstanz erfahren. Diese drei Größen sind Voraussetzungen, um Mathematik zu begreifen.

 

Erste mathematische Grundbildung findet bereits im Kleinkindalter statt. Spielerisch können so im Alltag die Menge hinter einer Zahl oder die Ordinalzahlen (erster, zweiter…) eingebaut und etabliert werden.

Mathematische Handlungen anzugreifen, hilft, mathematische Prozesse zu begreifen. Dabei hat jedes Kind sein eigenes Tempo.

Steht der Zehner-Raum, die Zerlegung der Zahlen, der Stellenwert der Ziffern nicht automatisch zur Verfügung, macht es keinen Sinn, den Zahlenraum bis 100 zu eröffnen (vgl. Dyskalkulie/M1/EÖDL S. 80ff).

 

„Langsam selber auf eigene Erfahrungen kommen ist besser als schnelle Wahrheiten, die ein anderer entdeckt hat, durch Auswendiglernen ins Gedächtnis zu bekommen.“ (Heinrich Pestalozzi)

 

Der Sinn mathematischer Handlungen muss verstanden werden. Es reicht nicht, die Prozesse auswendig zu lernen. Erst das Verständnis der dahinterliegenden Logik, lässt uns die Methoden korrekt anwenden.

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Dyskalkulie und Rechenschwäche unterscheiden

 

Die Symptomatik einer Dyskalkulie oder Rechenschwäche, zeigt sich – wie bei Legasthenie und Dyskalkulie –  erst im Schulalltag im Umgang mit Zahlen, Zahlenräumen und Grundrechenarten. Der Umgang mit Symbolen, in diesem Fall Zahlen, wird durch eine differente Sinneswahrnehmung erschwert.

 

Der Zugang zu den Zahlen und das Fundament für Mathematik wird mit dem Verständnis über Zahlen, Zahlenräumen, Mengen und Grundrechnungsarten in der Volksschule gelegt.

 

Zahlendreher, das Verwechseln von Rechenzeichen und die fehlende Logik bei verschiedenen Rechenarten und Rechenprozessen, wie bspw. Umkehraufgaben sind Anhaltspunkte. Das Auswendiglernen – ohne den Sinn dahinter zu begreifen –, zeigt sich in Kompensationsstrategien, die spätestens in der 3. und 4. Klasse Volksschule, wenn es zur logischen Anwendung kommt, zum Vorschein kommen.

 

Dyskalkulie, ist wie Legasthenie, auf eine biogenetische Veranlagung im Menschen zurückzuführen. Wird dies rechtzeitig erkannt und durch ein spezielles Training unterstützt, kann es gut bewältigt werden. Erfolgt dies nicht, können sich durch die damit einhergehenden Schwierigkeiten Sekundärsymptomatiken entwickeln, welche zusätzliche medizinische oder psychologische Interventionen erfordern.

 

Eine Rechenschwäche hingegen, ist eine erworbene, meist vorübergehende Schwierigkeit, die sich durch das Üben am Symptom in den Griff bekommen lässt.

 

Diese Unterscheidung ist wichtig, um ein adäquates Training aufzusetzen. Es folgt dem Ersten Österreichischen Dachverband für Legasthenie und kann mit einem speziell für diese Problematik erforschten und bewährten pädagogisch-didaktischen Instrument festgestellt werden.

 

Bei diesem Test werden die für das Erlernen notwendige Aufmerksamkeit und die Sinneswahrnehmungen der Optik, der Akustik und der Raumwahrnehmung abgefragt. Durch einen Symptomtest – entsprechend dem Schulniveau – zeigen sich die individuellen Wissens- und Verständnislücken, die im Symptomtraining berücksichtigt werden.  Dieses Training startet oft sehr basal. Dies ist jedoch notwendig, um sich ein solides mathematisches Grundlagenverständnis anzueignen.

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Die AFS-Methode ist ein pädagogisch-didaktischer Ansatz, der davon ausgeht, dass legasthene/dyskalkule Menschen eine andere Informationsverarbeitung haben, die sich nur beim Erlernen des Schreibens, Lesens und Rechnens bemerkbar macht. Der Erste Österreichische Dachverband für Legasthenie ist eine unabhängige und gemeinnützige Institution, die seit 25 Jahren im Dienste legasthener und dyskalkuler Menschen tätig ist. Sie ist damit Österreichs größte Legasthenieinstitution.

Ein sehr interessanter Vortrag (Quelle: EÖDL) gibt Verständnis, über diesen pädagogisch-didaktischen Ansatz, der in über 65 Ländern weltweit erfolgreich praktiziert wird.

„Ein legasthener Mensch, bei guter oder durchschnittlicher Intelligenz, nimmt seine Umwelt differenziert anders wahr, seine Aufmerksamkeit lässt, wenn er auf Buchstaben oder Zahlen trifft, nach, da er sie durch seine differenzierten Teilleistungen anders empfindet als nicht legasthene Menschen. Dadurch ergeben sich Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens, Schreibens und Rechnens.“

Dr. Astrid Kopp-Duller 1995